Leben und Tod.
Zuerst lebst du, aber irgendwann…
Ich meine: Hey, wir alle Leben um ein tolles Leben zu haben und irgendwann sind wir alt, haben ein erfülltes Leben hinter uns und sterben dann. Okay, manche sterben leider auch früher – also mitten im Leben, aber in diesem Fall nicht. Und manche Menschen leben auch ewig, da sie immer noch viel erleben wollen. Oma ist nun gestorben und auf dem Weg zu Opa. Opa starb schon vor einigen Jahren und damals konnte ich mich nicht verabschieden von ihm – es passierte zu plötzlich und unerwartet.
Oma war seit dem immer traurig ohne ihn, ein wenig einsam und leider etwas verbittert in einigen Dingen.
Es war ja auch doof damals mit Opa, nur weil jemand seinen Job nicht richtig machte, gab es keine Überlebenschance. Nun kam der Tod wieder vorbei.
Bei Oma war es anders. Krankheit und vielleicht fehlender Lebenswille brachten sie zu Opa. Es war leider absehbar in den letzten Tagen.
Aber irgendwie war mein Verhältnis zur Oma seit dem Tod von Opa nicht mehr das selbe. Es wurde komplizierter, auch wenn sie es wahrscheinlich gar nicht so meinte oder es ihr bewusst war. Aber so was es nun einmal und es war ja trotzdem meine Oma.
Früher als kleiner Olli war ich sehr gerne bei meinen Großeltern. Ich war Opas Lieblingsenkel – wahrscheinlich auch weil ich deren erstes Enkelkind war. Opa und ich waren viel Unterwegs, wir sind damals mit der UBahn durch Berlin gefahren und ich erinnere mich noch, wie er mir vom Osten erzählte, als wir die Geisterbahnhöfe passierten. Wir waren gemeinsam im Zoo, sind damals in Schildhorn Tretboot gefahren, waren im Museum für Verkehr und Technik (da muss ich mal wieder hin – im Lokschuppen Dampfloks anschauen) und an der Ostsee in Niendorf. Und immer wenn wir von unserer Entdeckungsreise zurück kamen, war Oma da und machte uns leckeres Essen – meistens gab es Würstchensuppe, Kohlrabi-Eintopf oder Milchreis. Und zum Nachtisch gab es fast immer Schokopudding und ich bekam die ganze Pelle von der großes Schüssel. Ab und zu gabs aber auch Quark mit Obst aus dem Garten oder Preiselbeeren.
Erinnerungen sind toll. Sie lassen einen daran denken, wie es früher war. Früher als Opa mir Physik und Chemie zeigte – da er als Lehrer ein paar Experimente zu hause hatte. Es gab so eine große Holzkiste mit Transformatoren, Spulen, Kabeln und ganz viel Zubehör. Wir erzeugten Lichtbögen, brachten Metalle zum Schmelzen oder versuchten uns in chemischen Kleinigkeiten. PH-Wert messen, Säuren und Basen mischen und viel von dem Zeug, was im Chemie- und Physikunterricht spaß macht. Opa spielte gerne Klavier – er hatte einen Flügel im Wohnzimmer stehen – aber dafür konnte er mich nie begeistern. Mittlerweile würde ich es doch ganz gerne können, etwas „musikalisch“ sein. Dafür aber spielten wir beide immer Schach, er zeigte mir wie es geht und „unser“ Schachbrett steht hier bei mir mit all den „kostbaren“ Figuren, mit denen ich immer ganz vorsichtig umgehen musste.
Oma hatte viel Spaß am Arbeiten mit Ton und Porzellan bemalen. Oma hatte im Keller einen eigenen Brennofen und als Kinder haben wir dann zusammen mit Oma getöpfert. Wir haben schiefe Tassen, Schüssel und Kerzenhalter gebastelt. Oma konnte das ganz gut, sie hat viele Lampen und anders damit erstellt. Sie hat für uns Kinder auch Teller und Tassen mit individuellen Motiven bemalt. Malen war eins ihrer Hobbies, das sie noch sehr lange ausübte. Ich hab immer noch einen Frühstücksteller von ihr hier bei mir in der Wohnung, den Oma 1990 für mich bemalt hatte. Damals war ich zehn.
Oma fing irgendwann an, sich an einen Computer zu setzen um Fotos ihrer Digitalkamera abzuspeichern oder Texte zu schreiben. Sie hatte damals viele Fragen gehabt und war sehr interessiert, als ich ihr ihren ersten Laptop einrichtete. Meistens versuchte sie sich selbst alles beizubringen und besuchte sogar einen Computerkurs. Aber: Oftmals hat sie dabei auch viele Dinge vergessen, so das Oma irgendwann mehrere Facebook-Konten hatte. Für Opa hingegen war der Computer nichts. Er konnte damit so gar nichts anfangen. Ich weiß noch: Mein Opa kaufte mir damals meinen ersten eigenen Laptop, damit ich einen Computer während meines Praktikums in Belgien hatte. (Den bekam dann irgendwann die Oma – als ihr ersten Rechner)
Oma und Opa hatten einen Pool – den haben Schüler von meinem Opa damals mit ihm gebaut. Im Sommer konnten wir also immer dort Schwimmen gehen. Ich weiß noch, wir sind ganz oft Wettrennen geschwommen und ich würd meinen, Opa hat mich meistens gewinnen lassen. Er fand es aber nicht so toll, wenn meine Schwester und ich „Wellenbad“ spielten – weil dann das ganze kostbare Wasser raus schwappte. Oma war eher selten mit uns schwimmen, da wir immer im Wasser toben wollten und Oma lieber in ruhe ihre Bahnen schwamm. Deswegen ließen wir Oma alleine schwimmen und haben danach den Pool gestürmt. Aber in anderen Dingen war Oma dafür etwas entspannter.
Opa machte sich immer Sorgen – um alles und jeden. Zum Beispiel im Ferienhaus an der Ostsee: Es liegt fast am Strand – nur eine kleine Straße und zwei kleine Deiche trennen es – und er malte sich schon aus, wie das Meer sich das Haus holt. Es gab viel um das er sich Sorgen machte – ich glaube auch, dass ich ihm viele graue Haare geraubt hatte, denn Schule und Ausbildung waren irgendwie nicht meine oberste Prio und Opa als pensionierter Lehrer versuchte sein bestmögliches mir zu helfen, er besorgte Nachhilfe, sprach mit Lehrern und machte sich viele Sorgen. Tut mir leid dafür.
Aber es gab auch eine Kleinigkeit, die ihm auch immer Kopfschmerzen bereitete: Seine Stereoanlage im Wohnzimmer oder sein VHS Gerät. Wenn etwas nicht ging, dann musste ich hin und hab es „repariert“. Die elektrische Jalousiesteuerung sollte ich auch konfigurieren, Zeiten ändern oder bei Fehlern nach der Ursache schauen. Oma versuchte es oft selbst und hat es auch oft hinbekommen, aber wenn dann etwas nicht ging, meckerte Opa mit Oma, dass sie doch lieber Oliver das machen lassen soll.
Ich erinnere mich noch, dass Oma und Opa ein BMW Baur-Cabriolet hatten, aber offen fahren durften wir meisten nicht, weil es Opa immer zu sehr zog. Dabei sagte Oma ganz oft, sie wäre soo gerne offen gefahren.
Wir waren als kleine Kinder oft bei Oma und Opa wenn Eltern arbeiten mussten, z.B. als sie Weihnachtsbäume verkauften – dann brachten wir mit Oma meistens Mittagessen vorbei und abends wurden wir dann abgeholt oder zu Eltern gebracht. Weihnachten wurde eigentlich auch immer bei Oma und Opa gefeiert, zumindest an einem Tag gab es dort Pute und Gans am großen ausziehbaren Tisch im Flur. Ein langer schwerer Vorhang konnte das Wohnzimmer bei Bedarf vom Rest des Flures trennen und zu Weihnachten hing meistens der Adventskranz dort in der Führungsschiene des Vorhangs. Wir Kinder mussten dann „draußen“ warten bis die Glocke klingelte und sind dann aufgeregt zum Weihnachtsbaum. Der klassische Weihnachtsbaum bei Großeltern war die Kiefer mit Kerzenhaltern, die in den Stamm gebohrt wurden. Oftmals halfen wir auch beim Schmücken des Baums. Aber Opa hatte auch oft Sorge, da es echte Kerzen waren, das der Baum abbrennt. Deswegen standen mindestens zwei mit Wasser gefüllte Eimer in der Nähe am Baum.
Bei Oma und Opa stand die Märklin Modelleisenbahn von Papa im Keller. Wir spielten also dort Eisenbahn im Keller, oder Party im Partykeller. Es war eigentlich nie langweilig und Erinnerungen sind noch viel mehr vorhanden. An Gutes und weniger schönes. Aber wir sind Menschen und haben Ecken und Kanten und leben ein Leben, das uns Erinnerungen bringt.
Erinnerungen sind schon etwas schönes, denn sie bleiben für immer und man kann sich aussuchen, ob man lieber an die schönen Dinge denken mag oder auch Platz für das Doofe lässt. Ich muss ehrlich sagen, ich lasse Platz für beides – denn es gehört zum Leben dazu.
Machs gut liebe Oma und viel Spaß oben bei Opa. Hab Euch lieb.